Montag, 13. April 2015

Zuhören

Wenn man nichts zu sagen hat, einfach mal die Fresse halten . Dieses Programm-Motto von Komedian Dieter Nuhr war in meinem letzten Schuljahr eine Art running gag in meiner Klasse. Allerdings auch manchmal durchaus ernst ausgesprochen ;-)
 
Manchmal hat man schon etwas zu sagen, vergisst aber darüber das Zuhören.
Eine Übung in der Mediation ist, seinen Gegenüber ausreden zu lassen. Ganz. Ohne Unterbrechung. Solange er will. Ohne "Aber..."dazwischen zu werfen. Das ist schwerer, als man denkt.
Bei den Indianern durfte in der Ratsversammlung derjenige reden, der den "talking stick" in der Hand hielt. Diese klare Regel lässt sich im Alltag schwer umsetzen. Trotzdem- wenn wir mit einiger Disziplin einfach mal die Klappe halten, obwohl es uns auf der Zunge brennt, lernen wir viel mehr über unseren Gegenüber, als wir es uns vorstellen können.
 
Ähnlich schwierig ist es,bei all den Komplexen und negative Selbstbildern, die heute leider vorherrschen, sich Gutes sagen zu lassen. Es gibt einen afrikanischen Stamm, da wird jemand, der einen Fehltritt begangen hat, in die Mitte des ganzen Clans gestellt, und ihm wird von allen Seiten all das aufgezählt, was alles wunderbar an ihm ist. Damit will man sicherstellen, dass derjenige wieder in seine Mitte kommt.
 
Bei dem ständigen Austausch, der heute herrscht, wo man selbst auf dem einsamsten Berggipfel Handyempfang hat und aufgeregt alles mitteilt, ganz es ganz heilsam sein, wenn man garnicht die Gelegenheit hat.
Wunderbar, wenn man völlig im Spiel versunkene Kinder "belauscht". So hört sich Unschuld an! Und wie schön, wenn man einfach so teilhaben kann an den Konversationen von Freunden, einfach ohne sich einzumischen.
 
Es ist schön, sich mitzuteilen. Und schön, einfach mal garnichts zu sagen.
 
JE STILLER DU BIST, DESTO MEHR KANNST DU HÖREN. (aus China)
 

Samstag, 11. April 2015

Die Einsamkeit

Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:

dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen...
                                          RILKE



Wenn wir, das Leben wie einen Jahrmarkt vor unserer Haustür, Zeit für uns brauchen, erscheint die Einsamkeit ein heilendes Elexier. Ein Born der Stille, in der wir wieder zu uns finden.
Wie erleichternd kann es sein, einmal nicht erreichbar zu sein. Nicht zur Verfügung zu stehen.

Doch manchmal ist es auch so, dass die Einsamkeit vor uns steht, unerwartet groß und mächtig wie eine Gewitterwand. Ich habe in meinem alten Tagebuch
geblättert. Die verbliebenen Seiten, welche ich nicht vor einigen Jahren herausgerissen habe, weil sie einfach zu peinlich waren. Beide Seiten der Einsamkeit tauchten dort immer wieder auf:
der Rückzug aus dem Gedränge. 
die scheinbare Isolation in der Menge.

In einem meiner alten Gedichte fand ich die Zeile ...allein sein heißt nicht"einsam sein"
und dachte im Umkehrschluss hätte ich noch hinzufügen müssen, dass man auch einsam sein kann wenn man nicht allein ist. Aber das ist dann vielleicht Stoff für ein anderes Gedicht.

Um die Einsamkeit ist’s eine schöne Sache, wenn man mit sich selbst in Frieden lebt und was Bestimmtes zu tun hat. (Goethe)


Ich bewundere von jeher Menschen, die sich mit ihrer Meinung der Masse entgegen stellen.Und probierte es mit meinem eigenen Leben genauso. Gleichschritt und Uniformismus waren mir von jeher zuwider. Wo es mir möglich war, war ich gern "anders als die Anderen". Obwohl das oft den Preis der Ausgrenzung beinhaltete. Diese Diskrepanz aus "anders sein wollen" und "dabei sein wollen"(ergo:beliebt=geliebt...dachte ich) war der große Kummer vieler Jahre.
Mittlerweile komme ich ganz gut klar damit, mit einer Meinung allein zu sein (naja, zumindest meistens). Und manchmal bin ich sogar stolz darauf.

Doch auch die andere Einsamkeit klopft manchmal an. Grau und mächtig wie eine Gewitterwand. Bereit mich zu erschüttern. Bereit mich fühlen zu lassen wie ein wirbelndes Sandkorn in einem Meer von Unverständnis.
An solchen Tagen sollte man sich das obenstehende Goethezitat an die Stirn nageln und am besten erstmal zwei Stunden spazieren gehen.